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Stern

Vorgezogene Entscheidung: Beratungsresistent und weltfremd: Joe Biden erinnert immer mehr an Donald Trump




Joe Biden will sich in den kommenden Tagen zum Präsidentschaftskandidaten nominieren lassen. Die parteiinterne Kritik an seiner Alterschwäche wird er so nicht abwürgen können. Im Gegenteil: Es ist ein riskantes Manöver. Vor acht Jahren, im Juli 2016, konnte man bei einem Nominierungsparteitag in Cleveland eine zerstrittene und zerrissene Partei beobachten, in der viele an dem Präsidentschaftskandidaten verzweifelten, um ihre Karriere fürchteten und von einer krachenden Wahlniederlage sprachen. Die Partei waren die Republikaner. Ihr Kandidat war Donald Trump. Wir wissen heute, wie es ausgegangen ist: Trump wurde Präsident, obwohl fast alles gegen ihn sprach. Against all odds, wie die Amerikaner so gerne sagen. Gegen alle Widrigkeiten. Trump hatte sich über sie einfach und unerhört hinweggesetzt. Er hatte Kritiker ignoriert. Medien kritisiert. Sich selbst gegen die Wirklichkeit und guten Rat imprägniert. Joe Biden ähnelt heute diesem Donald Trump.  Es gibt die bittere Realität im Land – und es gibt die in warmes Licht getauchte Realität im Weißen Haus. Joe Biden wirkt seltsam entrückt in diesen Tagen des Chaos. Berät sich nicht mit seinem Stabschef, nicht mit dem Leiter seines Wahlkampfteams. Vertraut nur noch einem kleinen Kreis von loyalen Gefolgsleuten und seinem Familien-Clan, vor allem seinem Sohn Hunter und seiner Frau Jill. Gemeinsam reißen sie die Demokraten in eine immer größere Krise und unternehmen alles, um die schwelende Rebellion gegen seine Kandidatur zu unterdrücken. Sie alle glauben unverbrüchlich an Joe Bidens Inszenierung als Comeback-Kid. Als einen Mann, der sich immer durchsetzt, auch wenn ihn alle abgeschrieben haben.Doch in dieser Krise spricht immer weniger dafür, an sein Comeback zu glauben. Da sind allein die miserablen Umfragen. Die Wahrscheinlichkeit eines Trump-Sieges ist hoch. Laut einer Umfrage von CBS News/YouGov glauben nur 28 Prozent der Wähler, dass Biden die mentalen und kognitiven Fähigkeiten besitzt, um das Amt des Präsidenten ein weiteres Mal zu übernehmen. Barack Obama, wo bist Du? 09.30Joe Biden reagiert auf die schlechten Zahlen mit Trumpschen Angriffen auf Meinungsforscher und Medien. Sagt, er frage sich, ob Umfragen « noch so genau sind wie früher ». Erklärt voller Trotz: « Jüngste Umfragen zeigen, dass wir gewinnen. » Dabei sieht nahezu jede nationale Umfrage, die seit Bidens so desaströsen Auftritt beim TV-Duell veröffentlicht wurde, dass Trump in Führung liegt oder zum Gleichstand aufgeholt hat.Joe Biden scheint in einer Scheinwelt zu lebenDie Demokraten erleben einen lähmenden, gefährlichen Patt. Auf der einen Seite Biden und seine Unterstützer. Auf der anderen Seite eine wachsende Zahl von Demokraten, die bloße Angst umtreibt vor eine Wahlniederlage im November, sollte Biden nicht zurücktreten. Und Biden, der sonst immer das Image des bodenständigen Mannes aus einfachen Verhältnissen pflegte, wirkt wie ein enthobener Potentat, dessen Gedanken nur noch um die eigene Macht kreisen. Am Montagabend wurde er von einem Fernsehmoderator gefragt, wen er konsultieren würde über die Frage, ob er im Rennen bleibt. Biden antwortete: « Mich. »Aldi USA 8.20Die Partei bin ich. Einige Demokraten fühlen sich schon an das Schicksal der Republikaner erinnert, die zum bloßen Trump-Wahlverein verkommen sind. Der Attentatsversuch auf Donald Trump hat den öffentlichen Druck auf Biden, aus dem Rennen auszusteigen, etwas gedämpft. Die Führungsriege des Demokratischen Nationalkomitees nutzt nun die Gunst der Stunde. Sie will Joe Biden noch bis Ende des Monats als Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei bestätigen – in einer virtuellen Abstimmung. Als würde man die Debatte um seine Altersschwäche einfach abwürgen wollen. Der derzeitige Plan des Demokratischen Nationalkomitees sieht vor, die Parteivorsitzenden der einzelnen Bundesstaaten in der nächsten Woche darin zu schulen, wie die elektronische Stimmabgabe auf sichere Weise durchgeführt werden kann. Das Zeitfenster für die Stimmabgabe wird wahrscheinlich am 29. Juli eröffnet und am 5. August geschlossen. Wenn der Plan für eine virtuelle namentliche Abstimmung durchkommt, muss Biden die Kritiker seiner Partei nur noch etwa zwei Wochen lang politisch überleben.Joe Biden hätte die Zeit auf seiner Seite. Seinen Kritiker in der Partei hingegen läuft sie davon.Seine Gegner werden nicht verstummenIn einem Protestbrief kritisieren demokratische Abgeordnete: « Es ist eine schreckliche Idee, die Debatte zu unterdrücken und jede mögliche Änderung auf dem demokratischen Wahlzettel durch einen unnötigen und beispiellosen ‘virtuellen Appell’ in den kommenden Tagen zu verhindern. Das könnte die Moral und die Einheit der Demokraten – von Delegierten, Freiwilligen, Basisorganisatoren und Spendern bis hin zu einfachen Wählern – zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt untergraben. » Infobox US-Wahl-NLWer in diesen Tagen durch die USA reist und mit der demokratischen Parteibasis spricht, muss den Kritikern recht geben. Die Moral der Wahlkämpfer liegt am Boden, der Einsatz und der Enthusiasmus der Demokraten, erfährt man zum Beispiel im Swing State Wisconsin, ist viel geringer als im Wahlkampf 2020. Das Gewichtigste, was für Joe Biden spricht, ist, dass er nicht Donald Trump ist. Er sollte diesen Vorteil nicht verspielen. 



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Author : Nicolas Büchse

Publish date : 2024-07-17 15:29:00

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