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Elefantenrunde: TV-Debatte nach Europawahl: Erklärungsnöte und ein Nazi-Moment

Bei der Elefantenrunde nach der EU-Wahl




In einer Diskussionsrunde nach der Europawahl gerieten die Parteivorsitzenden teils heftig aneinander. So schlugen sich Merz, Lindner, Wagenknecht und Co. Es war eine Premiere in mehrfacher Hinsicht: Erstmals empfing der Sender RTL/ntv sechs Parteivorsitzende zu einer Diskussion nach einer Europawahl. Und auch die Konstellation der Gäste hatte es so im deutschen Fernsehen noch nicht gegeben: Neben CDU, SPD, Grünen und FDP waren auch die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht vertreten. Unter der Moderation von Nikolaus Blome entwickelte sich für eine Stunde ein intensiver, teilweise heftiger Schlagabtausch, an dem sich auch die am Wahlabend besonders gerupften Ampel-Parteien untereinander keine Blöße gaben. Der stern fasst die wichtigsten Momente und Positionen der Teilnehmer zusammen. Klingbeil und der Nazi-MomentEr hatte schon bessere Fernsehauftritte. Hier und da sah man Lars Klingbeil an, wie sehr ihn das SPD-Ergebnis trifft. Die inhaltlichen Akzente setzten jedenfalls eher andere. Aber vielleicht war er mit seinen Gedanken auch einfach woanders: Seine SPD ist kurz vor Panik. Der Kanzler zieht nicht mehr, der Friedens-Sound ist gescheitert. Klingbeil und Konsorten müssen quasi bei null anfangen – eineinviertel Jahre vor der nächsten Bundestagswahl. Wobei: Es gibt natürlich immer noch die AfD. Deren starkes Ergebnis dürfte einen gewissen Mobilisierungseffekt auslösen bei der SPD. Bei Klingbeil war das in der Elefantenrunde schon zu besichtigen. Viele Menschen könnten nun wachgerüttelt werden, « dass die Nazis bei dieser Wahl stärker geworden sind », so Klingbeil. « Sie haben mich und die Partei gerade als Nazis bezeichnet? », konterte Weidel. « Ja », sagte Klingbeil. Da schritt sogar Sahra Wagenknecht ein. Man müsse die AfD schon etwas differenzierter betrachten.Merz und der WahlsiegFriedrich Merz ging es etwas zu schnell: Moderator Blome begann mit dem Thema Ukraine, aber die Union war gerade stärkste Kraft geworden. « Vielleicht können wir erst einmal über die Europawahl sprechen », sagte CDU-Chef Merz – und ließ es sich nicht nehmen, immer wieder auf den Erfolg zu verweisen. Gemeinsam mit der amtierenden Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei er in den Wahlkampf gegangen, so Merz. « Und wir haben deutlich gewonnen. » Später erklärte der Moderator AfD-Chefin Weidel und die Linken-Abtrünnige Wagenknecht zu den beiden Gewinnerinnen des Abends, da intervenierte Merz: der Wahlsieger hieße ja wohl CDU und CSU. Insgesamt zeigte sich Merz gelassen – und machte seine Punkte als Oppositionsführer: Das Ergebnis zeige auch, dass die Politik der Ampel, inklusive der « ständigen Bevormundung », abgewählt worden sei. Blitzanalyse 1935Nouripour und die ErklärungsnöteKlar, Scholz und die SPD, tief in der Krise alle beide – aber die zumindest zahlenmäßig größeren Verlierer dieses Wahlabends sind dann doch die Grünen. Als deren Co-Vorsitzender fiel Omid Nouripour die undankbare Aufgabe zu, das Nicht-mal-12-Prozent-Debakel irgendwie zu erklären, hinterließ währenddessen ungefähr den gleichen Eindruck, den seine Partei im gesamten Wahlkampf machte: auch dabei. »Ist heute das grüne Europa zu Grabe getragen worden? », will der Moderator von Nouripour wissen, schließlich gab es diesen grünen Absturz gleich in mehreren EU-Ländern zu bestaunen. Nouripour muss aber erst noch Sahra Wagenknecht vorwerfen, dass sie damals noch kurz vor Putins Invasion… Und schon redet wieder Sahra Wagenknecht.Lindner und der Basta-AuftrittFDP-Parteichef Christian Lindner kam noch im Wahlkampfmodus ins Studio – und teilte erst einmal gegen die SPD aus, Lieblingsthema: Bürgergeld. Zu teuer, nicht zielgenau, dringend reformbedürftig. Kurz konnte man vergessen, dass Lindner mit den Genossen regiert. Noch bevor ihn jemand als überforderten Kassenwart der Republik framen konnte, schlug der Finanzminister selbst vor, was man neu priorisieren müsse: weniger Geld für Hilfen weltweit, dafür mehr für die Ukraine. Das ging dann auch gegen die Grünen. Keine Frage, das werden noch muntere Haushaltsverhandlungen. Im Duell mit Friedrich Merz wechselte Lindner kurz in die Oppositionsrolle. Der Finanzminister knüpfte seine Unterstützung für Ursula von der Leyen an einen Kurswechsel der EU-Kommission: keine Gemeinschaftsschulden, kein Verbrenner-Verbot. Merz musste schmunzeln. Dieser Kurswechsel sei doch längst vollzogen, sagte der CDU-Chef. Es war nicht der einzige Moment, in dem Merz und Lindner stritten wie zwei alte Freunde, die schon einfachere Zeiten miteinander erlebt haben. Irgendwann landeten sie bei der guten alten Ricola-Frage: Verschärfungen beim Asylbewerberleistungsgesetz – wer hat’s erfunden? Lindner ließ sich vom Spott des CDU-Chefs nicht beirren. Manchmal reichen eben schon fünf Prozent für einen Basta-Auftritt. Kommentar EU Text 21.30Weidel und der WiderspruchAlice Weidel hatte ein gutes Wahlergebnis im Rücken – und kein Problem damit, sich zu exponieren. Beim Thema Ukraine-Krieg kritisierte die AfD-Chefin, dass Russlands Präsident Wladimir Putin einseitig dämonisiert werde und der Beschuss von Zivilisten in Russland durch ukrainische Truppen nicht zur Sprache komme. Bisweilen verhakte sich die AfD-Chefin auch mit Moderator Blome, der Behauptungen Weidels immer wieder mit ergänzenden Fakten einordnete. Den Klimaschutz bezeichnete Weidel als schweren Standort-Nachteil, wegen des hohen Strompreises gingen zu Zehntausenden Firmen in Deutschland zugrunde. Mit Blick auf den Messer-Attentäter von Mannheim, ein mutmaßlicher Islamist, der einen Polizisten ermordet hatte, sagte Weidel: Der Mann hätte niemals in Deutschland sein dürfen. Wieder widersprach Blome und wies daraufhin, dass der Mann einen Schutzstatus besessen habe. Wagenknecht und der FriedenDer Ukraine-Krieg und die Migration – das waren die wichtigsten Themen für Sahra Wagenknecht. Die Vorsitzende des nach ihr benannten Bündnisses kritisierte, dass die Chance auf Friedensverhandlungen nicht genutzt werde. Es habe Signale aus dem Kreml gegeben, dass man zu Verhandlungen bereit sei, Deutschland habe darauf reagiert, indem man der Ukraine erlaubt habe, mit deutschen Waffen auf russisches Gebiet zu schießen. Dem Eindruck, sie hege Sympathien für Wladimir Putin, widersprach sie allerdings. « Ich möchte diesen Krieg beenden. » Bei der Migrationsfrage hieb sie auf angeblich 250.000 Flüchtlinge ab, die eigentlich keinen Schutzstatus hätten, aber trotzdem bleiben dürften und Geld kassierten. Bekomme man die unkontrollierte Migration nicht in den Griff, « hat man irgendwann eine vergiftete Stimmung ».Transparenzhinweis: Der stern ist Teil von RTL Deutschland.



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Author : Veit Medick

Publish date : 2024-06-09 23:03:00

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